Klopfer!
  Die Wohlgesinnten
 

Littell erzählt in seinem zweiten Roman den fiktiven Lebensbericht des Protagonisten, des hochrangigen SS-Offiziers Maximilian Aue. Aue ist Jahrgang 1913, Sohn eines deutschen Vaters und einer französischen Mutter, frühes NSDAP-Mitglied und promovierter Jurist mit eher literarischen, musikalischen Neigungen. Er zeichnet dabei das Psychogramm eines intellektuellen, musischen Schöngeistes der eher durch Zufall zum Sicherheitsdienst SD kommt und während des Ostfeldzuges in die Verbrechen verwickelt wird. Auch Aue wird zum Täter. Littell erklärt in seinem Roman jeden Menschen zum möglichen Naziverbrecher.
 

Es sind die verstörenden Erinnerungen an die Schauplätze des Zweiten Weltkrieges und an das Grauen der Verfolgung und industriellen Vernichtung der Juden von Juni 1941 bis April 1945, an die Einsatzkommandos und Massenhinrichtungen im Osten.


Es sind die beklemmenden Erinnerungen an all seine Begegnungen mit den Nazi-Größen: an Himmler, in dessen Persönlichen Stab Aue 1943 aufgenommen wird, an Abendessen mit Eichmann, an Höß oder Speer.


Der Roman besticht durch eine äußerste Detailkenntnis über die nazistischen Verbrechen, die Organisationen und Personen des dritten Reichs und den Ostfeldzug. Vor allem die Beschreibung dessen aus der Perspektive eines Täters ist abstoßend und anziehend zugleich. Bis jetzt fast das einzige Projekt dieser Art.


Mit sprachlicher, ans Extrem gehender Offenheit werden die Massaker, Säuberungen und Erschießungen des Ostfeldzuges beschrieben. Überall im Osten ist Aue mit dabei. Ob in der Ukraine, im Kaukasus, in Polen, in Stalingrad, in Babi Jar. Auch werden wir ins besetzte Paris, nach Auschwitz und Mittelbau Dora oder kriegszerstörte Berlin zurückversetzt.


Das mehr als tausend Seiten starke Buch brach in Frankreich alle Verkaufsrekorde. Gewann  den Prix Goncourt dort. Und löste in Deutschland eine heftige Debatte aus. Vor allem wegen der sehr exhibitionistischen, provozierenden Beschreibung des Holocausts und anderen Verbrechen. Die Frage war, ob Literatur diese Grenze überschreiten darf.

 


 
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